Camping in Ecuador

Sep 29, 2023

6:46 Uhr. Mindo, Ecuador. Knapp 64 Kilometer westlich von Quito. Meine Füße sind blasenversehen, meine Unterschenkel schmerzen vor Muskelkater. Mein Rücken schreit beim aufstehen wie ein kleines Kind auf, das in der Früh seinen Lolli nicht bekommt und sagt mir ich soll mich wieder hinlegen. No Chance, ich will meinen Kaffee und meinen Blog schreiben 🙂 Denn wir haben mal wieder eine verrückte Reise hinter uns. Meine 3 Mitbewohner im Dorm schlafen noch tief und ich genieße die Morgenruhe in Mindo, einer kleinen Stadt in Ecuador mit ungefähr 2250 Einwohnern. Wie ich hier hergekommen bin? Das erfahrt ihr in diesem Blogpost 🙂

Spulen wir die Zeit 3 Tage zurück. Ich bin in Quito, mit Ty und wir wollen uns für unser anstehendes Abenteuer ausrüsten. Ich habe eine Tipp bekommen, wo wir in Quito Camping-Gear mieten können. Condortrekking soll der Laden heißen. Also springen wir in einen der städtischen Busse und fahren in den Norden der Stadt. Der Plan: Zelt, Schlafsack und Isomatte mieten, um dann 60 Kilometer nach Mindo zu hiken. Der Trail soll uns durch die Gebirge Quitos und dann durch den Cloudforest, also einem hochgelegenen Regenwald, nach Mindo führen.

Im Laden angekommen werden wir herzlich von einer ecuadorianischen Familie empfangen und direkt gut beraten. Wir kriegen ein Zwei-Personen-Zelt, zwei Schlafsäcke und zwei Isomatten in die Hand gedrückt. Und ich hab ja schon mit sowas irgendwie gerechnet, da ich mich kenne. Die Preise fürs Mieten der Ausrüstung belAugen sich auf ca. 30 Dollar pro Nacht. Wir brauchen das Zeug für mindestens 4 Nächte. Ich, mit meiner heftigen Veranlagung für Mathe, kalkuliere das mal kurz im Kopf durch und erkundige mich kurzerhand danach, was das ganze Zeug theoretisch kosten würde. Und voilá. Wenn ich 60 Dollar drauf lege gehört das Zeug mir! Passt jetzt nicht gerade in meinen 40 Liter Rucksack rein aber ich werd schon einen Weg finden 😀 Denn mit einem Zelt bin ich so viel mehr flexibel und es gibt noch unzählige Nationalparks, wo ich froh sein werde keins mieten zu müssen. Fairer Deal. Zumal ich das Zelt kenne und neu 240 Euro kostet. Der Besitzer hat’s mir für 100 Dollar überlassen. Kapitalismus? Hier nicht.

Also Ausrüstung mal kurz ordentlich aufgestockt. Ich besitze jetzt on top ein Zelt, eine Matratze, einen Schlafsack, einen Kocher und einen Topf. Halt alles, was man braucht, um gediegen morgens um 6 eine Tasse Kaffee am Arsch der Welt genießen zu können! 🙂

Am nächsten Tag um 7 Uhr lassen wir uns mit dem Uber zum Trailhead chauffieren. Ich werf mir meinen echt nicht gerade leichten Rucksack über, wir verabschieden uns von unserem super lässigen Uberfahrer und dann gehts los. Wir haben 3 Tage hiken vor uns. Geplant sind ca. 20 Kilometer am Tag und 2 Übernachtungen. Wir haben genug Essen und Wasser dabei, inklusive Tabletten um Wasser zu filtern. Und ganz wichtig natürlich: BOCK! 😀

Die ersten paar Stunden werden wir von einer wunderschönen Aussicht auf den Cayambe und die Täler rund um Quito begleitet. Richtig nice und genau nach unserem Geschmack! Bis wir um eine Ecke biegen und eine kleine Armee räudiger Hunde vor uns die Straße blockiert. Und mit Hunden, auch wenn sie noch so lieb sein können in Ecuador, muss man hier echt vorsichtig sein. Bereits auf dem Quilotoa Loop wurden wir hier und da von Hunden unsanft begrüßt. Oder die Situation, als wir vor ein paar Tagen in Quito, als wir uns den Weg an dem Rudel, das das Gebäude besetzt hatte, vorbei bahnen mussten. Kleine Badass-MoFos, die meinen die Welt gehört ganz ihnen.

Als wir uns dem Rudel nähern gehts auch schon los. Die Straße gehört natürlich ihnen. Das lassen sie uns auch ganz deutlich wissen. Das Gekläffe ist heftig und das Dog-Pack hat Bock auf uns loszugehen. Gar nicht gut. Wir haben zum Glück Stöcke am Start, um uns wehren zu können und schaffen es, uns das Gesocks größtenteils vom Leib zu halten. Aber als wir einen kurzen Augenblick unaufmerksam, in Sicherheit geglaubt weiterziehen, seh ich im Augenwinkel noch wie einer der kleineren Hunde plötzlich ordentlich die Geschwindigkeit anzieht, zu Ty aufschließt, und zack: Ihm in den fucking Unterschenkel beißt! Er schreit kurz auf, ich mache eine ordentlichen Stampfer in Richtung des Köters und schreie ihn an, was zum Glück die Wirkung nicht verfehlt. Er lässt ab und macht die Biege. Elendige, räudige Biester. Stöcke schön und gut aber am Ende will ich den ungern wirklich gegen einen der Hunde einsetzen. Der Biss ist zwar deutlich zu sehen aber zum Glück keine wirkliche Verletzung.

Der weitere Weg verläuft erstmal ohne Komplikationen. Wir kommen durch ein kleines Dorf, wo wir Wasser aufstocken können und nach unserer bereits 4 stündigen Wanderung erstmal eine Pause einlegen. Die 20 Kilometer haben wir eigentlich schon abgehackt, entscheiden uns aber am ersten Tag soviel Strecke wie möglich zu machen. Und gute Spots zum campen haben wir bisher ohnehin nicht gesehen. Der „Trail“ verläuft weiterhin auf einer Schotterstraße und macht keine Anstalten, in wilderes Terrain zu wechseln. Es ist auch gerade mal 13 Uhr also weiter gehts. Als sich 2 Stunden später immer noch nichts tut, außer dass wir immer tiefer runter wandern und sich die Umgebung langsam in den Regenwald verwandelt, stellt sich ein bisschen Nüchternheit ein. Der Wald links und rechts lässt so gut wie überhaupt keine Möglichkeiten offen das Zelt aufzuschlagen und ohnehin haben wir keine Lust direkt an der Straße zu übernachten. Unsere einzige Hoffnung: Tandayapa, ein super kleines Dorf, das aber noch gute 13 Kilometer entfernt ist. Wenn wir da ankommen ist es vermutlich schon fast dunkel und wir haben ingesamt 8 Stunden auf der Uhr. Aber ändern können wir es nicht, also laufen wir fleißig weiter. Die enge Straße windet sich durch den dichten Regenwald und die Möglichkeiten zu campen bleiben nach jeder Biegung unverändert madig. Bis wir Motorengeräusche hören und uns ein Lastwagen eine Mietfahrgelegenheit anbieten, die wir herzlich begrüßen! Meine Füße sind an dem Punkt schon total am Arsch und mein Rücken von der Last meines Rucksacks in Mitleidenschaft gezogen.

Gute 20 Minuten dauert die Fahrt mit den Herrschaften, die für die Stadt Quito mit dem Lastwagen für Ordnung auf den Schotterwegen hier im National Park sorgen. Und dann kommen wir in Tandayapa an. 15 Uhr. 35 Kilometer bereits hinter uns gebracht. Nach der Fahrt merk ich erst so richtig, wie sehr mein Körper durch das Gewicht meines Rucksacks gelitten hat. Ungern werf ich mir das Ding wieder über den Rücken, aber leider schaut’s auch hier nicht wirklich danach aus, als würde es Möglichkeiten geben ein Zelt irgendwo aufzuschlagen zu können. Wir sehen ein Schild, das auf die „Bellavista“ Lodge im Cloudforest Reserve hinweist. Wir entscheiden uns also widerwillig dafür weitere 6 Kilometer in Kauf zu nehmen, in der Hoffnung, dort einen Campingspot zu finden.

Das Problem an der Sache: Ab jetzt gehts bergauf. Bisher ist der Trail größtenteils bergab verlaufen. Wenn nicht sogar zu 90%, da Quito deutlich höher liegt als Mindo. Wir schleppen uns mühsam den Berg hoch, was sich nach bereits 1 Stunde in eine richtige Mentalchallenge für mich entwickelt. Meine Füße haben Blasen, auf beiden Seiten, meine Beine tragen das Gewicht kaum noch und ich bin nahezu am Ende meiner Kräfte. Und wir wissen nicht mal was uns an der Lodge erwartet. Vielleicht ist es einfach eine dieser super teuren Lodges, wo das Zimmer 150 Dollar kostet. Das würde bedeuten wir müssen weiter gehen, bis wir einen angemessen Spot finden. Die Straße ist allerdings nach wie vor unverändert. Kaum bis gar keine Möglichkeiten links und rechts das Zelt aufzuschlagen. Und uns rennt die Zeit davon. Es ist bereits 16:00 Uhr. 2 Stunden haben wir noch Tageslicht. Und wir sind mitten im Cloudforest. Hier kann es jederzeit zu regnen anfangen. Mein Zelt, dass ich unterhalb von meinem Rucksack befestigt habe, schlägt beim hochhiken in regelmäßigen Abständen beim Laufen gegen meinen Rucksack und gibt mir so ein Gefühl für einen gewissen Rhythmus. Allein der Rhythmus, den ich beim Gehen beibehalte, sorgt dafür, dass ich weiterhin durchhalte. Das ich einen Schritt nach dem anderen setze. Bis wir dann endlich, nach ca. 2 Stunden, um 17:00 Uhr, an der Lodge ankommen.

Abseits von dem Eingang der Lodge allerdings direkt auf den ersten Blick erkennbar: Keinerlei Möglichkeiten irgendwo ein Zelt aufzubauen. Da ist nur Straße. God damn it. Ich ahne Schlimmes. Wir schleppen uns zur Rezeption und wollen uns erkundigen, ob es irgendwo in der Nähe eine Möglichkeit zum Campen gibt. Und da unsere Wasservorräte beinahe komplett aufgebraucht sind, erkundigen wir uns ebenso danach, ob wir nachfüllen können. Als die hören dass wir den ganzen Weg von Quito hergelaufen sind, machen sie große Augen. Aber dann kommt das Unerwartete: Die Lodge selbst hat einen kleinen Campingplatz! Kostet zwar 10 Dollar pro Person aber das ist uns sowas von egal. Wir können sogar die Duschen, Toiletten etc. benutzen. Also führt uns Christian, einer der Angestellten, hoch zum Campingplatz, der überdacht ist und so können wir noch bei Tageslicht unser Camp aufschlagen. Yippi-Ya-Yeah, Schweinebacke. Die Aussicht, die sich uns bietet, ist phänomenal und ich bekomme einen wunderschönen Sonnenuntergang zu Gesicht ehe ich mich in meinem neuen Zelt zum Schlafen lege.

Am nächsten Morgen gibts erstmal einen geilen Flashbacks zurück an die Zeit in Oregon. Mit meinem Wasserkocher mach ich mir eine feine Tasse Kaffee und zum Frühstück gibts ein Oatmeal. Ty schläft noch, also mach ich mich um ca. 6:15 Uhr auf den Weg runter zur Lodge, denn dort wimmelt es nur so von Vögeln. Ich hoffe auf ein paar schöne Bilder, mit meiner Kamera im Gepäck.

Gegen 9:00 Uhr machen wir uns dann auf zur letzten Etappe nach Mindo. Uns stehen nochmal gute 23 Kilometer bevor. Und so wie es aussieht, gehts weitere 23 Kilometer einfach nur entlang auf ein und der selben Schotterstraße. Manchmal hasse ich Menschen. Hätte mal jemand in der verdammten App erwähnen können, dass man nur die scheiß Straße entlang läuft. Das man kaum irgendwo campen kann. Das man nirgendwo Wasser nachfüllen kann. Aber hey, Hauptsache dem Trail unkommentiert eine 5 Sterne Bewertung geben -.- Und so ist es am Ende dann auch. Schotterstraße, die sich in endlosen Biegungen, unverändert durch den Wald schlängelt. Über Nacht habe ich mich zwar ein Stück weit regeneriert aber auch nur, weil ich ca. 10 – 11 Stunden geschlafen habe. Mehr oder weniger. Meine Blasen machen sich aber nach bereits einer Stunde wieder bemerkbar und meine Beine fühlen sich einfach nur schwer an. Ich habe auf beiden Seiten an den Schultern einen richtig fetten Ausschlag. Vermutlich vom Schweiß und dem Gewicht der Riemen meines Rucksacks. Wir haben eine weitere, dieses mal tatsächlich grenzwertige Begegnung mit einem Schäferhund, der angekettet einen Pferdehof bewacht und sofort hohl dreht als er uns sieht. Er fletscht regelrecht die Zähne und bellt wie verrückt aggressiv während er ordentlich anlauft nimmt und auf uns zu stürmt. Mit unseren kleinen Stöcken in der Hand wären wir absolut machtlos gegen das Viech, aber die Kette hält glücklicherweise und reißt den Hund zurück, sodass er fast schon einen Rückwärtssalto macht. Was ihn umso aggressiver macht. Also bewegen wir uns schnell an dem Hof vorbei, außerhalb seines Sichtfeldes. Und dann erreichen wir irgendwann eine Hauptstraße. Hier endet der Trail. Dafuq, wirklich. Wer hat den Scheiß auf AllTrails hochgeladen Bro. Ty und ich sind ein ziemlich enttäuscht, dass wir die komplette Strecke auf der Schotterstraße zurück legen mussten. Am Ende eher was, was man mit dem Fahrrad macht als zu Fuß. Aber gut. Die Aussicht war meistens trotzdem super schön und immerhin sind wir jetzt in Mindo und können uns ausruhen. Die 60 Kilometer haben wir deutlich schneller zurückgelegt, als geplant.

Wir checken in unser Hostel ein, dass mal wieder super schön und sauber ist. Und ehe wir richtig im Bett liegen, bricht draußen ein Gewitter los vom anderen Stern. Perfektes Timing! Ein bequemes Bett und mein Hörbuch lassen mich irgendwann gediegen einschlafen und ich hoffe auf ein paar gute Trails durch den Regenwald, sobald mein Körper wieder fit ist! Ob dem so ist, erfahrt ihr dann in einem der kommenden Posts 🙂