Ecuador – Camping in new heights

Oct 6, 2023

Ok, ich muss mich erstmal sortieren wenn ich jetzt niederschreibe, was ich mir schon wieder gegeben habe. Seitdem ich mein Zelt hab, machen Ty und ich uns natürlich weiterhin ständig Gedanken, was wir uns in unseren letzten 1-2 Wochen in Ecuador noch so an Camping Trips gönnen können. Und mein Vorschlag war dann einfach mal zum Nationalpark von Chimborazo zu fahren. Chimborazo ist der höchste Berg (inaktiver Vulkan) Ecuadors, mit stolzen 6263 Metern. Und dann dort irgendwo im Nationalpark das Zelt aufzuschlagen. Und was dabei rauskam: Mal wieder eine erzählenswerte Story, die ich sicherlich nie vergessen werde…

Die Geschichte beginnt mit einer Busreise nach Riobamba. Eine Stadt, ca. 4 Stunden entfernt im Süden von Quito. Dort angekommen haben wir uns erstmal kurz orientiert und in das Villa Bonita Hostel eingecheckt. Ein wunderschönes Hostel, super gepflegt und die Zimmer! Oh wow, Altbau und ein Private Room für schlappe 12 Dollar die Nacht. Vor Ort gibt es auch ne Menge Karten und Infomaterial bzgl. Chimborazo. Am Ende ist es aber dennoch ein bisschen eine Blackbox und wir müssen mit dem Taxi erstmal eine Stunde zum Eingang des Nationalparks fahren, um von dort aus los zu marschieren.

Der Taxifahrer geht richtig steil und zum ersten Mal in Ecuador mache ich mir ein wenig Sorgen bzgl. meiner Gesundheit 😀 Der will wohl möglichst schnell am Ziel ankommen. Aber am Ende geht alles gut und wir kommen wohlbehalten am Eingang zum Chimborazo Nationalpark an! 🙂 Die Landschaft ähnelt dabei einer Wüste und der Eingang könnte ein Außenposten irgendwo in Afghanistan sein, wie man es aus Filmen kennt.

Und dann geht der „Spaziergang“ los. Der Plan, wie ihr oben auf der Karte vll. sehen könnt, ist erstmal zum Refugio Carrel auf 4800 Metern zu kommen und uns dann von dort aus einen gediegenen Spot zum campen zu suchen. Am Eingang müssen wir uns erstmal registrieren. Und werden nach unserer Erlaubnis fürs campen gefragt. Trololol. Ja genau, als hätten wir sowas 😀 Ich schalte mal wieder auf den Bayern-Modus um und tu so als wüsste ich von Nichts. Spiele den Dummen. Ernster Bro, da an der Registrierung. Findet er weniger komisch und erklärt uns eindringlich, dass wir zwar reindürfen, jetzt wo wir schonmal da sind, aber auf keinen Fall weiter als zum Refugio Carrel sollen. Mit unserem Zelt. Ist gefährlich und Steinschläge etc. sind an der Tagesordnung. Außerdem ist es ein Gletscher, da kann alles mögliche passieren. Logo Digga, ist gebongt. Ich nicke ihm zustimmend zu und wir bedanken uns dafür, dass wir trotzdem reindürfen.

Wir laufen ca. 2 Stunden durch den echt mega schönen Nationalpark von ca. 4300 Metern hoch zum Refugio Camp. Auf dem Weg sehen wir zahlreiche wilde Lamas und genießen die Einsamkeit. Hier ist echt nicht viel los und ein Franzose, der uns zufällig über den Weg gelaufen ist, leistet uns Gesellschaft. Als wir beim Camp ankommen gibts erstmal Kaffee und Kuchen im kleinen „Café“ das vor allem als Raststätte für Touristen dient, die da mit dem Bus hoch fahren. Refugio Camps in Ecuador sind in der Regel Base-Camps, wo man übernachten kann falls man bspw. den Vulkan / Berg komplett besteigen möchte. Für ein paar Dollar gibts dann ein Dach über dem Kopf inkl. Bett und Verpflegung. Für uns aber nicht interessant, denn wir haben ja unser Zelt dabei 🙂 Der Gipfel von Chimborazo thront dabei eindrucksvoll im Hintergrund auf.

In dem Café des Camps finde ich eine weitere Karte, die ich bisher noch nicht zu Gesicht bekommen haben! Und tada: Ich entdecke einen weiteren Spot, der als offizieller Camping Spot markiert ist – ein ganzes Stück höher als wir aktuell sind. In meinem Kopf ertönt die Stimme des Wärters, der mich daran erinnert ab hier nicht weiter zu gehen. Hinfort, hinfort! Gekonnt ignoriere ich sie. Ihr kennt mich ja: Meine Neugierde und mein Abenteuersinn haben klar die Überhand und ich erzähle Ty begeistert von meiner Entdeckung. Das Ridge-Camp ist auf 5300 Metern und knapp unterhalb des Gletschers. Wir diskutieren kurz, ob wir uns das mit dem ganzen Equipment / Rucksäcken, die schließlich ordentlich was wiegen, wirklich antun wollen. Aber wir haben BOCK! Also frag ich den Senor, der im Camp arbeitet, welche Route er uns empfiehlt und was uns da oben überhaupt erwartet.

Nachdem wir gestärkt sind, machen wir uns auf den Weg. Es ist ca. halb 1 Nachmittags. Weitere 500 Höhenmeter, ziemlich steil und mit dem Gepäck: Vermutlich nochmal 2 Stunden. Mindestens. Und wir stellen uns drauf ein, dass es extrem anstrengend wird. Womit wir absolut recht behalten haben. Nach kürzester Zeit sind wir mitten im Fels, 40 Grad Anstieg auf 5000 Metern Höhe. Das knallt richtig krass. Ich frag mich, wie zum verf**** Geier ich es eigentlich immer wieder schaffe mich in solche Situationen zu manövrieren aber wir haben uns dazu entschlossen das zu machen, also ziehen wir es durch! Wir müssen gefühlt alle 3 Minuten kurz stehen bleiben um durch zu atmen, näheren uns aber Stück für Stück unserem Ziel. Und dann sehen wir die Zelte aus der Entfernung. Und die sind groß. Richtige Expeditionszelte. Mit dem Ziel vor Augen pushen wir und kommen schließlich, komplett außer Puste, oben an. Fuck me, der Aufstieg hat sich aber sowas von gelohnt! Wir werden mit einer Aussicht belohnt, die alles toppt was ich bisher gesehen habe. Und dann schlagen unser vergleichbar kleines Zeltchen neben den anderen auf trololol. Der Anblick ist ein wenig bizarr und die Guides, die kurze Zeit nach uns oben ankommen, um Chimborazo wirklich zu besteigen, denken sich bestimmt: Diese Gringos haben doch überhaupt kein Plan, was die da eigentlich machen, während sie uns neugierige Blicke zu werfen und sich erkundigen, woher wir kommen und was wir hier oben treiben.

Der Sonnenuntergang ist gigantisch und verschlägt mir komplett die Sprache. Aber mit der untergehenden Sonne wird uns auch ziemlich schnell bewusst, wir unfassbar kalt es hier oben wird. Hätte man sich denken können. Eigentlich. Aber ich wäre ja nicht ich, und es wäre nur halb so spannend, hätten wir sämtliche Risiken artgerecht kalkuliert. Ganz nach dem Motto „No Risk no Fun“. Wir beten, dass das Wetter über Nacht hält und kuscheln uns in unsere Schlafsäcke, nachdem wir uns am Sonnenuntergang satt gesehen haben.

Ja ich könnte euch jetzt erzählen, das alles heftig nice war und es das Erlebnis meines Lebens war. Allerdings muss ich euch enttäuschen 😀 Im Nachgang hat sich die Aktion trotzdem mehr als gelohnt. Die Aussicht und die Erfahrung, die wir dabei gesammelt haben und natürlich die Story dahinter wars absolut wert. Aber die Nacht, die wir da oben verbringen mussten, will ich nie wieder in meinem Leben wiederholen müssen.

In Ecuador wird es jeden Tag um 6 Uhr Abends dunkel. Wenn man auf der Höhe zeltet, knipsen vermutlich der Großteil der Leute spätestens um 20 Uhr das Licht aus, oder sogar früher. Die Kälte und die Höhe machen einem zu schaffen. Also stehen einem in etwa 10-12 Stunden schlafen bevor. Oder der Versuch. Kaum lieg ich in meinem Schlafsack, merke ich dass ich Kopfweh bekomme. Und merke außerdem dass mein Schlafsack, als auch meine Kleidung, der Kälte nicht standhalten. Und ich merke dass mir ein wenig schlecht wird. On top krieg ich dezente Bauchkrämpfe. AMS – Akute Höhenkrankheit. Kann ich jetzt mal so gar nicht gebrauchen. Und dann die Atmung…Ich muss regelmäßig richtig tief einatmen, denn ich habe immer wieder das Gefühl nicht richtig Luft zu bekommen. Und los geht das Kopfkino. 11 Stunden noch, bis es wieder hell wird draußen. Wie soll ich das nur überstehen. Ich versuche irgendwie eine Schlafposition zu finden, in der ich einigermaßen klar komme, was mir in den ersten 7 Stunden aber kaum gelingt. Ich schlaf keine einzige Minute. Wir hören wie sich die Guides und ihre Klienten gegen 1 Uhr nachts fertig machen für den Aufstieg zum Gipfel. Mein Zustand wird zum Glück nicht dramatischer und bin ich guter Dinge dass ich mich nicht übergeben muss. Auch wenn ich kurz davor war. Am Ende „nur“ ein leichter Anflug von AMS. Wasser trinken hilft enorm. Ty geht es nicht wirklich besser. Und doch schaffe ich es irgendwie (muss so gegen 3 Uhr Nachts sein) irgendwann einzuschlafen. Zumindest für kurze Episoden. R.ä.u.d.i.g.s.t.e Nacht meines Lebens. Kein Scheiß aber halt auch selber Schuld 😀

Als es gegen 6:30 Uhr morgens draußen endlich hell wird mach ich den Reißverschluss vom Zelt auf, um einen Blick nach draußen zu werfen. Es ist gestört kalt. Und jetzt weiß ich auch warum. Es liegt fucking Schnee. Draußen hat es locker -5 Grad. Meine Füße sind steif, weil ich keine wirklich dicken Socken eingepackt habe. Handschuhe hab ich natürlich auch keine. Ich muss an Palmer denken, der mir mehrmals empfohlen hat welche zu kaufen. Werd ich definitiv sehr bald nachholen!

Fast der gesamte Nationalpark ist eingeschneit. Ich fühl mich elendiger wie ein Häufchen Kaputzineräffchen-Kot und jetzt auch noch das. Immerhin scheint die Höhenkrankheit weg zu sein. Kein Kopfweh mehr. Keine Krämpfe. Keine Übelkeit. Ty neben mir kommt auch gar nicht klar. Nachdem wir die Situation verarbeitet haben, bauen wir direkt das Zelt ab und machen uns an den Abstieg. Kaffee und Frühstück? Vielleicht später. Wir hoffen einfach nur, dass das Camp unten bereits offen hat, sodass wir uns dort ein wenig aufwärmen können.

Der Abstieg dauert etwa eine Stunde. Die Bewegung tut gut und mein Körper wärmt sich etwas auf. Und als wir dann endlich auf 4800 Metern am Camp ankommen, machen wir fast Luftsprünge, als wir merken, dass die Türen offen sind. Also hocken wir uns rein, machen uns Frühstück und sammeln Energie, um uns an den restlichen Abstieg zurück zum Eingang zu machen, den wir dann später gegen 11 Uhr Vormittags erfolgreich erreichen.

Vielleicht liest sich das hier jemand durch, der Erfahrung auf solchen Höhen hat und denkt sich: Unverantwortlich. Und ich sage: Fair enough. Auf 5300 Meter Höhe kann einiges schief gehen. Vor allem drastische Wetteränderungen. Wären wir in einem Sturm geraten hätten wir glaube ich echte Probleme bekommen. Ein äußerst naives Vorhaben. Aber das wars wert! Würde ich das wiederholen? Nur mit entsprechendem Equipment. Mein Zelt hat eigentlich einen guten Dienst geleistet. Ist aber eigentlich für sowas nicht gemacht. Fakt ist: Wieder einmal ein episches Erlebnis gehabt! Und ich bin in meiner vorletzten Woche in Ecuador dem Chimborazo doch noch extrem nahe gekommen! 🙂

Heute steht nochmal Camping im Cotopaxi Nationalpark an! Dieses Mal deutlich tiefer. Und mit einem Auto nebenan. Und Feuerholz. Ein kontrollierter, abgesteckter Rahmen. Und dann heißt es am Montag Abschied von Quito nehmen. Und Ende der Woche Abschied von Ecuador nehmen. Dann gehts ab nach Peru! 🙂 Wir hören uns also bald, ihr Lieben!